Sein dritter Besuch an der Privatschule - Leben wird verfilmt
Er hat in jeder Hinsicht bleibende Eindrücke an der St.-Lioba-Schule hinterlassen und ist dort jederzeit gern gesehen. Wie bei den letzten beiden Besuchen war es auch diesmal Geschichts- und Lateinlehrer Hans Peter Wavra, der den 1930 in einem kleinen Dorf in Nordostungarn als Laszlo Schwartz geborenen, von den Nazis in Auschwitz und Dachau Inhaftierten als Zeitzeugen an die Schule holte. In diesem Jahr waren es die Mädchen und Jungen der E-Phase (10. Schuljahr), an die der in New York und Münster bei seiner deutschen Frau lebende Schwartz das Wort richtete und seine Erinnerungen mitteilte.Der Auschwitz-Überlebende sieht es seit langen Jahren als seine Lebensaufgabe, weltweit junge Menschen zum Kampf gegen das Vergessen aufzurufen.
Hans Peter Wavra konnte neben Schwartz mit Manfred de Vries auch den Vorsteher der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim begrüßen, der bereitwillig auf Fragen zur aktuellen Situation der Juden in der Kurstadt Auskunft gab. Dann gab Wavra einen kurzen Überblick über Schwartz`Leben, das dem damals 14-jährigen Jungen ein abruptes Ende der Kindheit brachte. Unter dem Vorwand, ihm und den anderen Juden seines Wohnortes ein besseres Leben zu verschaffen, wurde er 1944 mit dem Zug ins Ghetto der Stadt Kleinwardein und später ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
.Hier überlebte er die Selektion durch den Lagerarzt Josef Mengele und entging zunächst der Gaskammer und den Menschenversuchen, die Mengele zum Massenmörder werden ließen. Später wurde er ins KZ Dachau verlegt und Schwartz musste schwerste körperliche Arbeit in Außenlagern verrichten. Gegen Kriegsende überschlugen sich die Ereignisse. Noch in den letzten Tagen der Naziherrschaft sollten die Häftlinge mit einem Zug zur Exekution gebracht werden. Der aber wurde von den Alliierten bombardiert. Viele starben. Leslie Schwartz überlebte, konnte die Freiheit fast schon mit Händen greifen,bezeichnend, dass Schwartz auch heute noch dankbar an die Menschen denkt, die ihm damals trotz aller Risiken halfen, zu überleben.
Wavra erinnerte an die Gedenken des Jahres 2014, an die "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts", den Ersten Weltkrieg, und an den Zweiten Weltkrieg, der vor 75 Jahren begann. Angesichts der 55 Millionen Toten, die nicht allein durch Kriegsgeschehen, Kämpfe und Bombardements ums Leben gekommen seien, wobei fast 6 Millionen Juden durch Massenvernichtung starben, sei es ein Glücksfall, mit Schwartz einen der letzten Überlebenden des Naziterrors begrüßen zu können. Bereits in der nächsten Generation werde es keine Gelegenheit mehr geben, Überlebende zu befragen. Wavra stellte klar, dass es zwar keine Kollektivschuld gebe, aber eine Kollektiv-verantwortung, das Gedächtnis an die Schrecken und die Ermordeten wachzuhalten, sei auch für die heutigen Schüler eine Herausforderung.
Eingerahmt wurden Schwartz`Berichte von zwei Filmprojekten. Das erste ging aus einer sehr bemerkenswerten Schülerarbeit im bayerischen Marktschwaben hervor. Die jungen Menschen betrieben eine akribische Forschungsarbeit über das Schicksal der Häftlinge in dem Dachauer Außenlager, die in dem Film" Auf den Spuren des Todeszuges von Mühldorf " eine ebenso sehenswerte wie wichtige Dokumentation fand. Man konnte Schwartz die Freude, zu den jungen Frauen und Männern zu sprechen, förmlich anmerken. Die weltweite Information Jugendlicher über den Naziterror ist eine Art Lebenselixier für ihn. Gemeinsam mit de Vries hob Schwartz hervor, dass man für die Vernichteten doch noch etwas tun könne: Sie sollten nicht vergessen werden. In diesem Sinne sprachen sich beide auch für die Stolpersteine aus, die mittlerweile an ehemalige jüdische Mitbewohner in deutschen Städten erinnern.
Die gespannt zuhörenden Schüler hatten eine Reihe von Fragen, auch privater Natur. Schwartz und Wavra konnten abschließend zum zweiten Filmthema mitteilen, dass die Lebensgeschichte des gebürtigern Ungarn zur Verfilmung vorgesehen ist. Hollywood grüßt über Leslie Schwartz Bad Nauheim und "die Lioba". Regisseur Adler wisse auch schon, wer den Hauptdarsteller spielen solle: entweder Ben Kingsley oder Dustin Hoffmann. Wie in den vergangenen Jahren drängten sich Schüler darum, sich in das von Schwartz geführte Erinnerungsbuch einzutragen. Wavra beendete die wie im Flug vergangenen zwei Schulstunden mit dem Hinweis, dass man sich bei Leslie Schwartz` nächstem Lioba-Besuch vielleicht schon über den Hollywood- Film unterhalten könne.
Text+Foto: Dr.Steffek