Experimentelle Archäologie im Unterricht
Zeitreisen sind heute nichts Ungewöhnliches. Die Literatur lässt Pegasus in die Vergangenheit fliegen, Themengruppen widmen sich der Kultur vergangener Zeiten, Mittelaltermärkte und die Musik aus dieser Zeit sind gefragt. Zeitreisen im Unterricht sind dagegen eher selten.Die Archäologin Kirstin Hansen macht diese möglich. Befreundet mit einer Familie aus der Schulgemeinschaft, war sie kürzlich zum drittenmal an der St.-Lioba-Schule, um hier gemeinsam mit Lateinlehrerin Dr. Anne Potthoff-Knoth auf Reise in die Römerzeit zu gehen. Angeregt hatte ihren Besuch auch Latein- und Geschichtslehrer Hans Peter Wavra. Zunächst fertigten Mädchen und Jungen aus den Klassen 6a /c aus einem rechteckigen Holzbrett, das sie an den Seiten mit Leisten versahen,ihre Schreibtafel selbst. In der Mitte wurde sie mit einer flüssiger Bienenwachs-Russ-Mischung, der etwas Leinöl beigegen wurde, ausgegossen. Wie die Schüler lernten, verbessert das Leinöl die Viskosität des Wachses, was in der für die Römer kühlen Region notwendig wurde. Auch der Stilus wurde selbst angefertigt. Der aus Holz geschliffene Stift wird an einem Ende angespitzt und am hinteren Ende mit einer spachtelartigen Abflachung versehen, um eine beschriebene Tafel besser glätten zu können.
Die Zeit, die das Wachs zum Trocknen brauchte, wurde für römische Spiele verwendet, die bei herrlichem Wetter im Park stattfinden konnten. Für Geschicklichkeitsspiele nutzten die Kinder ebenso wie die Römer Nüsse. Beim Deltaspiel galt es, möglichst die Spitze eines Dreiecks zu treffen. Zum Orcaspiel fehlte die benötigte Amphore, in der Nüsse geworfen werden.Stattdessen wurde ein Blumentopf genutzt, der bereit war, die Funktion der Amphore zu übernehmen.Ein weiteres Geschicklichkeitsspiel war es, abwechselnd Nüsse von einer schiefen Ebene rollen zu lassen,traf man dabei eine Nuss, durfte man diese der eigenen Nusssammlung hinzufügen.Eine Rundmühle zählte ebenfalls zu römischen Kinderspielen, wie eine solche mit Marmorsteinen gebaut wird, lernten die Mädchen und Jungen, nachdem das Wachs getrocknet war. Zuvor konnten sie Reifen und Kreisel schlagen, wobei sie erfuhren, dass diese alten Spiele immer weniger gespielt werden. Und natürlich konnte am Ende dieses spannenden Unterrichtstages auch mit dem Stilus auf die ebenfalls selbst produzierten Tafeln geschrieben und weiteres gebastelt werden.
Am nächsten Tag hatten die Klassen 8a und 8 b Gelegenheit, sich unter Anleitung von Hansen und Potthof-Knoth der Mathematik zu widmen. Zunächst galt es, ein römisches Rechenbrett (Abacus) herzustellen und anschließend damit einfache Übungen wie Addition, Substraktion u.ä. vorzunehmen. Fleißiges Üben zahlte sich dabei aus. Gerechnet wurde mit kleinen Kalksteinen, wobei deren Namen in Verkleinerung lateinisch "calculi" ist .Dieser Begriff hat auch, wie die Projektleiterinnen erklärten,den Weg in unsere Alltagssprache gefunden, etwa in "kalkulieren" oder "Kalkulation". Eine Zeitreise, die nach Einschätzung der Beteiligten einem gut kalkulierten Wissenserwerb diente.
(Text + Foto: Dr.Steffek)