Enger Freund der USA war hautnah dabei - Viele Schülerfragen
Mit dem Besuch eines der herausragenden Politiker der Bundesrepublik von den sechziger bis zu den neunziger Jahren schloss sich für dieses Jahr der Kreis prominenter Zeitzeugen und Wissenschaftler, die in der St.-Lioba-Schule zu Gast waren, um die Schülerschaft passend zum Stoff einzelner Jahrgänge optimal zu informieren. Zu Gast war diesmal Dr. Walther Leisler Kiep, gekommen auf Einladung von Latein- und Geschichtslehrer Hans Peter Wavra und herzlich begrüßt von diesem und Schulleiter Dr. Tobias Angert. Zeitnah zur Wiederwahl von Barack Obama sollte der "elder statesman" über die Erfahrungen der letzten Tage vor der Präsidentschaftswahl berichten, die er in den USA erlebte, vornehmlich im hart umkämpften Swing-State Ohio.
Wavra ließ es sich nicht nehmen, den CDU-Politiker , der bereits mehrfach in der Privatschule in Trägerschaft des Mainzer Bistums die Schüler an seinen Erfahrungen in der Politik teilhaben ließ, zuletzt in Begleitung des Auschwitz-Überlebenden Leslie Schwartz, dem Abiturjahrgang kurz vorzustellen. In der von den jungen Frauen und Männern gut gefüllten Aula verwies Wavra darauf, dass der 1926 in Hamburg geborene Leisler Kiep als Kind einige Jahre in der Türkei verbrachte und einen Vorfahren hat, der im 17. Jhd. in die USA auswanderte und dort heute als Nationalheld gilt. So sei sein Interesse an Amerika schon früh geweckt worden, und Leisler Kieps enge Verbindungen zeigten sich nicht zuletzt daran, dass er von 1984 bis 2005 Vorsitzender der "Atlantikbrücke" war, deren Ehrenpräsident er heute noch ist. Als besonders bemerkenswert hob Wavra hervor, dass Dr. Kiep alle Präsidenten der USA persönlich kennengelernt habe und eng mit Ex-Präsident George Bush senior befreundet sei. Anschließend skizzierte der Geschichtslehrer kurz mögliche Konsequenzen aus dem Wahlsieg Obamas über Romney, die in der Außenpolitik der USA das 21. Jahrhundert zum "Pazifischen Jahrhundert" machen könnten.
Der 86-jährige Politiker, der kurz vor seinem USA-Wahlbeobachter-Aufenthalt noch mit einer Politikerdelegation in China war, hob zunächst hervor, dass man sich kaum einen größeren Kontrast als den zwischen Obama und Romney vorstellen könne. Zudem unterstrich er die in Deutschland schwer vorstellbare Geduld der Amerikaner, die Stunde um Stunde auf den Auftritt ihres Favoriten warteten und dabei ein riesiges Vorprogramm über sich ergehen lassen müssten. "Das", so Leisler Kiep, "würde in Deutschland kaum einer mitmachen." Das in Europa den Amerikaner oft unterstellte Desinteresse an Politik habe sich im Wahlkampf ins Gegenteil verkehrt und dabei einen absoluten Höhepunkt erreicht. Er sprach die Erwartung aus, dass Obama seine letzte Amtszeit nutzen werde, um sich einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern. Sein unterlegener Gegenkandidat und seine Partei müssten sich jetzt darauf einstellen, dass "ein anderes Land mit anderen Mehrheiten kommen werde". Gigantisch seien auch die Aufgaben, die angesichts immenser Verschuldung der USA, Massenarbeitslosigkeit und Krise der Autoindustrie auf Obama warteten. Mit großer Sorge betrachte man in den USA auch die Entwicklung im Nahen Osten. Über das Engagement der USA im Krieg befragt, verwies der Politiker auf die enge deutsch-amerikanische Freundschaft.
Zum Stichwort China stellte er klar, dass der größte Teil der amerikanischen Goldvorräte längst den Chinesen gehöre, die überhaupt mittlerweile der größte Gläubiger der Welt seien. Der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bescheinigte der Politiker, dass sie bei den chinesischen Spitzenpolitikern als einzige(r) Politiker(in) gelte, die China wirklich verstehe. Ein bemerkenswerter Besuch, den der Schulleiter zum Abschluss in entsprechender Weise würdigte. Dr. Walther Leisler Kiep wiederum war beeindruckt vom Vorwissen und der Kritikfähigkeit der künftigen Abiturienten (Foto: Steffek)