Statt besserer Lebensbedingungen nach Auschwitz transportiert
Eine außergewöhnliche Begegnung, die schon eine Generation später nicht mehr möglich sein wird, hatten kürzlich die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 der St.-Lioba-Schule. Dorthin war auf Initiative des Geschichts- und Lateinlehrers Hans Peter Wavra, der schon mehrfach bedeutende Zeitzeugen in die Schule eingeladen hatte, der in New York und im westfälischen Münster lebende Leslie Schwartz gekommen.
Die Schule profitierte dabei auch von dem erfahrenen Staatsmann und Bundespolitiker Dr. Walther Leisler Kiep, der den Kontakt vermittelt hatte und als Mitorganisator nach der Rückkehr von einer längeren Chinareise später die Veranstaltung als Ehrengast bereicherte. Nach einem kurzen Kennenlerngespräch im Direktoriat, bei dem sich über die Erwähnung des Freundes und Leidensgenossen Max Mannheimer Querverbindungen zum Sudetenland ergaben, begaben sich Leslie Schwartz, Dr. Angert und Wavra zu den erwartungsvollen Schülern in den Musiksaal. Wavra erinnerte nach der sehr herzlichen Begrüßung des Gastes durch Schulleiter Dr. Tobias Angert an die Shoa, die große Katastrophe für das jüdische Volk und das 20. Jahrhundert, die gerade wegen der bald 70 Jahre und drei Generationen umfassenden zeitlichen Distanz für die Schüler von heute unglaublich fern erscheine. Gerade dadurch werde es immer notwendiger, die Erinnerung an die Jahre der Hitlerdiktatur von 1933 bis 1945, die der Historiker Eberhard Jäckel den "Supergau der deutschen Geschichte" genannt habe, wachzuhalten.
Leslie Schwartz wurde als Laszlo Schwartz in einem kleinen ungarischen Dorf geboren, wo ihm eine normale Kindheit vergönnt war, die 1944 für ihn und viele andere Juden jäh beendet wurde mit der Verbringung ins Ghetto Kleinwardein. Der Weitertransport brachte statt der in Aussicht gestellten besseren Lebensbedingungen als Endstation das Vernichtunglager Auschwitz. Schwartz begegnete hier dem durch seine gnadenlosen Menschenversuche berüchtigten Lagerarzt Dr. Josef Mengele, überlebte aber mit viel Glück und wurde nach Dachau ins KZ verlegt. Hier musste er Schwerstarbeit verrichten, lernte aber auch den bereits erwähnten, später erfolgreichen jüdischen Buchautor Max Mannheimer kennen. Als die Russen schon in Berlin standen, wurde er in einen Zug gezwungen, der ihn zur Exekution bringen sollte. Was sich dann abspielte, konnten die Schüler in einem Film verfolgen. Der machte nicht nur die nahezu unglaublichen Ereignisse, die Schwartz überstehen musste, deutlich, sondern auch, wozu Schüler in Zusammenarbeit mit Zeitzeugen fähig sind .Nicht zu Unrecht dankte Schwartz den Schülern einer Schule im bayrischen Marktschwaben für ihre beharrliche Forschungsarbeit, die diesen Dokumentarfilm "Auf den Spuren des Todeszuges von Mühldorf" möglich machte Schwartz und seine zum Tode bestimmten Leidensgenossen hatten kurz vor Ende ihres Leidensweges noch die Bombardierung ihres Zuges zu überstehen, der von US-Bombern fälschlich für einen Munitionstransport gehalten wurde. Hier forderte "friendly fire" zahlreiche Opfer. Kurzfristig in einem Dorf schon die Freiheit ahnend, von der SS gestellt und schwer angeschossen, kam Schwartz doch mit dem Leben davon. Nach der "Hölle von Auschwitz und Dachau", so der Titel seines Buches, nimmt Schwartz das Leben dankend an, besucht als freier Mann die Orte seines Leidens. Erfüllt von der Mission, in aller Welt gegen das Vergessen und für Frieden und Versöhnung einzutreten, ist der Cousin des kürzlich verstorbenen US-Schauspielers Tony Curtis ein Mann, der aus seiner Arbeit mit den Jugendlichen nicht nur sein Trauma überwindet, sondern förmlich Schaffenskraft und Lebensfreude gewinnt. Bezeichnend: Er erinnert sich an jeden, der ihm in der Zeit seines Leidensweges etwas Gutes tat, fragt nach ihnen, will sie wiedersehen und ihnen danken. Kein Wunder, dass prasselnder Beifall auf Schwartz wartete, der sich natürlich auch den Fragen der gut vorbereiteten Schüler stellte. Ehrengast Dr. Walther Leisler Kiep wird im nächsten Monat als Beobachter des Finales im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfes für die Abiturienten aus erster Hand berichten, ließen Wavra und Dr. Angert abschließend das Auditorium wissen.