Staub. Und Schall. Schall und Staub. Egal wie man es dreht, eins passt garantiert nicht in eine Galerie oder eine Ausstellung. Oder?
Aber zunächst zum Anfang: Freitag 7. Stunde. Die meisten Schüler hechten schon glücklich in ihr Wochenende, die Lehrer machen ihre wohlverdiente Mittagspause im Lehrerzimmer. Nicht aber die AG der Schülerzeitung. „Wir machen einen Ausflug“, ist die Ansage. Super, bestimmt gehen wir jetzt endlich mal ein wohlverdientes Eis essen. Die Sonne strahlt, als ich mit den anderen vor der Trinkkuranlage stehen bleibe. Die Stufen hoch, über den mit Kies bedeckten Hof, vorüber an der Konzertmuschel. Vor der Galerie kommt man erneut zum Stehen. Eine Kunstaustellung also. Ein Blick auf meine Mitredakteure zeigt mir: Es ist Freitag, 7. Stunde, wir sind hungrig und müde. Das Motivationsbarometer zeigt gerade mal drei Motivationspunkte. Kaum haben wir die Galerie betreten, empfängt uns auch schon eine freundliche Dame, die sich uns als Karin Merchel vorstellt.
In der Galerie sticht mir zunächst eine seltsame Installation ins Auge: Zwei Leinwände sind nebeneinander aufgestellt, und ein Beamer projiziert ein sich schnell bewegendes Gerät abwechselnd und teilweise auch gleichzeitig auf die Leinwände. Mein Kopf sagt mir: „Super, und was in aller Welt ist das, bitteschön?“ Mein Bauchgefühl ermahnt mich jedoch dazu, der Ausstellung eine Chance zu geben. Die Museumsführerin erzählt uns, dass dieses Kunstwerk zeigt, wie es in einem Drucker aussieht, wenn etwas eingescannt wird. Für alle ein interessanter Auftakt zum Besuch der Galerie, vor allem aber für die Lehrer, welche die Kopierer ja häufig benutzen, um die Schüler mit Arbeitsblättern zu versorgen.
Frau Merchel erklärt uns, dass dieses von Barbara Hindahl geschaffene Kunstwerk die Hektik der Großstadt symbolisieren soll, und ermahnt uns, auch mal nichts zu tun. Nachdem ich zusammen mit den anderen eine kleine Stufe erklommen habe, eröffnet sich uns ein Raum voller Bilder. Interessiert mache ich die Runde und sehe viel Staub. Zweiermaßen: Zum einen gibt es nämlich Kunstwerke, die wirklich mit Staub gemacht werden, anderseits aber auch Darstellungen, Bleistiftskizzen. Die Bilder, die grau sind und aus Linien bestehen, gehören auf jeden Fall zur ersteren Kategorie. Erstellt wurden sie von Serena Amrein, die hierfür Schlagschnüre quer über die gesamte Leinwand spannte, mit Staub benetzte und die Schnüre dann so über das Bild springen ließ, dass Linien entstanden. Von der Museumsführerin bekomme ich den Hinweis, dass ich mir die Kunst von Frau Amrein auch anhören kann. Also schnell als Erste an den Bildschirmen sein, die Kopfhörer aufsetzen, dann zusammenfahren, wenn die Schlagschnur ein lautes Geräusch erzeugt und interessiert die Arbeitsweise der Künstlerin mustern.
Jene Bilder, die scheinbar undefinierbare Bleistiftkringel enthalten, stammen aus der Hand von Barbara Hindahl. Es ist der unscheinbare Hausstaub, den sie porträtiert, aber mit etwas Phantasie kann man gut das graue, durch seine Milben allergieauslösende Medium erkennen, was häufig unbeachtet im Mülleimer landet. Ein Tipp von Frau Merchel zeigt, wie filigran diese Kunst ist: Geht man ganz nah mit den Augen bis zum Schutzglas der Gemälde, so er-kennt man die einzelnen Striche, Punkte und Kringel, die den Staub ausmachen. Beim heimischen Staub sieht es vermutlich genauso aus, wenn man sich denn bis auf 2 mm an ihn herantraut.
Eine weitere Ebene höher findet man schließlich noch … Trommelwirbel ... Karopapier! Aber nicht das stinknormale, häufig verwendete Medium, welches mit einem Stift beschrieben werden kann, sondern Fehldrucke. Auf manchen Blättern sind die Linien verzogen, auf anderen gebogen und auf wieder anderen befinden sich sogar Löcher im Papier.
Nun ist es Zeit für ein kleines Gruppenfoto vor einem der Gemälde. „Alle bitte lächeln“, ruft Frau Hille, mit der wir heute hier sind. „Klick“, macht die Handykamera von Frau Willlershäuser, unserer zweiten Begleitperson. Danach bleibt ein wenig Zeit, sich alles nochmals anzusehen und Erfahrungen auszutauschen, bevor wir letztendlich zur Schule zurücklaufen müssen. Ein Blick ins Gästebuch der Ausstellung zeigt mir, dass vielen Menschen die Ausstellung so wie mir gut gefallen hat. Einige schreiben aber auch: „Das ist doch keine Kunst“ oder „Verschwendete Zeit!“
Genau über dieses Thema diskutiere ich auch auf dem Weg aus der Galerie hinaus mit Frau Willershäuser. „Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, was für ihn Kunst ist“, kommt die Lehrerin zu einem guten Fazit. Jetzt ist es jedoch Zeit, endgültig zur Schule zurückzukehren. Über den kiesbedeckten Hof an der Konzertmuschel vorbei, dann die Stufen runter. Vor der Schule kommt man erneut zum Stehen. Reingehen, Ranzen holen, Wochenende.
Text: Valentina Dietrich