120 Jugendliche aus fünf hessischen Schulen in Berlin
120 Jugendliche von fünf hessischen Schulen, darunter eine größere Gruppe der St.-Lioba-Schule, werden den November 2014 sicher nicht vergessen. Anlässlich der vom Land Hessen übernommenen Bundesratspräsidentschaft war die von den einen Leistungskurs in Politik und Wirtschaft unterrichtenden Lehrkräften Dana Prada und Dr. Norman Meuser geleitete Gruppe in den Bundesrat eingeladen worden, um am Rollenspiel "Jugend im Bundesrat" teilzunehmen und in verschiedene Rollen von Politikern zu schlüpfen. An kontrovers diskutierten Themen wie Frauenquote, Mietpreisbremse oder Frackingverbot fehlte es nicht. Besonders reizvoll: Die Schüler berieten intensiv über die Vorlagen, brachten diese durch alle erforderlichen Parteigremien und über parlamentarische Hürden bis zur abschließenden Plenarsitzung.
Eröffnet hatte die Veranstaltung in Vertretung des Bundesratspräsidenten Volker Bouffier Staatsministerin Lucia Puttrich gemeinsam mit Dr. Ute Rettler, der Stellvertretenden Direktorin des Bundesrates. Puttrich hob die Vorzüge föderaler Strukturen hervor und betonte die Wichtigkeit des Bundesrates für die Länder, da er in besonderem Maße zu einem fairen Ausgleich der unterschiedlichen Strukturen, Interessen und Stärken der Länder beitrage .Dr. Rettler stellte den Aufbau der Bundesrats-Verwaltung vor und betonte, dass die Länder ihr Erfahrungswissen aus der Praxis in den Bundesrat einbringen könnten. Sie seien in den allermeisten Fällen auch für den Vollzug der Bundesgesetze zuständig.
Die gewonnenen Erkenntnisse fassten die Schüler und ihre Lehrer wie folgt zusammen:
- Es ist sinnvoll, dass die Bundesratsdelegierten kein freies Mandat haben, weil die Umsetzung der Gesetze Länderaufgabe ist.
- Die Arbeit der Ausschüsse wird in die Kabinettssitzungen politisch integriert und auf die politischen Mehrheitsverhältnisse abgestimmt. Der Bundesrat steht für die Kontinuität in der Gesetzgebung.
- Der Ministerpräsident muss ( wie die Kanzlerin) in seinem Kabinett gute Führungs- und Organisationsarbeit leisten.
- Anders als im Bundestag lässt das formalisierte Verfahren einen starken Druck zur Integration der verschiedenen Landesinteressen entstehen.
- Generell gilt: Je stärker formalisiert die Vorgänge sind, desto stärker ist auch der Druck zur Einigung und umgekehrt.
- Die Kompliziertheit des Gesetzgebungsprozesses zeigt sich darin, dass dieselbe Person auf drei verschiedenen Ebenen (Partei-, Ausschuss-, Kabinettsebene) unterschiedlichen Interessenskonstellationen gegenüber steht und manchmal gegen die eigene Überzeugung für etwas stimmen muss.
- Das Hauptgeschäft des Politikers ist Verhandeln, ein ständiges Geben und Nehmen. Politik ist Taktieren, Informationsbeschaffung, situatives Denken. Es geht in der Politik weniger um Sach- als um Machtfragen, die sich allerdings meist an Sachfragen entzünden.
- Politik ist oft ein Ringen um Wörter, dahinter stehen oft weitreichende Folgen für die Konzepte und die Politik, um die es geht. Eine sehr umfangreiche Detailkenntnis ist erforderlich und verschlingt viel Arbeit und Zeit.
- Die weit verbreitete Meinung, der Bundesrat blockiere bei unterschiedlichen Mehrheiten oft die Politik des Bundestags, ist nachweislich ein Vorurteil. Nur wenige Gesetzesvorlagen wurden bisher vom Bundesrat blockiert. Vielmehr dient das komplizierte Verfahren zwischen den beiden beteiligten Verfassungsorganen der verstärkten Integration im Sinne des Gemeinwohls.
Außer diesen bei ihrer Arbeit gewonnenen Erkenntnissen brachten die Liobaner noch zwei große Komplimente mit: Die meisten Ministerpräsidenten im Planspiel stellte die Privatschule in der Trägerschaft des Mainzer Bistum , und allen hessischen Schülern wurde bescheinigt, mit ihrem Engagement und ihrer Kompetenz von allen bisher geladenen Schulen aus sieben Bundesländern den besten Eindruck gemacht zu haben.