Große Betroffenheit bei Leistungskursschülern - Viele Fragen an den Referenten
Nimmt man die Reaktion des Auditoriums und die im Anschluss von den Schülern zweier Leistungskurse im Fach Geschichte geäußerten Fragen zum Maßstab, dann war der Besuch von Pfarrer Dr. Horst Gebhard an der St.-Lioba-Schule ein voller Erfolg. Zunächst hatte Schulleiter Dr. Tobias Angert den Besucher, der über 34 Jahre Pfarrer in Ockstadt war, herzlich willkommen geheißen und ihm für seine Bereitschaft gedankt, die Schülerinnen und Schüler über eine Schattenseite der Französischen Revolution zu informieren, die im normalen Unterricht kaum eine Rolle spiele. Geschichtslehrer Hans Peter Wavra stellte Pfarrer Dr. Gebhards Weg zum anerkannten Historiker vor und verwies darauf, dass dieser als Zwölfjähriger in der Pfarrbücherei seines Heimatortes ein Buch über die Vendeekriege entdeckt habe. Dies habe mit seinen Schilderungen über die Gräueltaten der revolutionären Truppen gegen die royalistisch-katholische Landbevölkerung so tiefen Eindruck hinterlassen, dass sich der Geistliche zeitlebens um die Erforschung dieses oft vergessenen Bereich des Terrors beschäftigt habe. Jüngste Frucht dieser Arbeit Dr. Gebhards sei das im Vorjahr erschienene Werk "Liberte,Egalite, Brutalite", das sich mit Vorgängen der Jahre 1792-1794 beschäftigt, und aus dem die Schüler wesentliche Ergebnisse zu hören bekämen. Zudem sei der jetzt im Ruhestand befindliche Pfarrer ein hervorragender Kenner der Hexenverfolgung im Erzstift Mainz im 17.Jhd., was sogar in der Spessartstadt Lohr mit einer auf seiner Forschung aufbauenden Theateraufführung gewürdigt werde.
Bereits der Einstieg des Referenten mit einer Darstellung über die geköpfte Hofdame Mdme. Lamballe ließ ahnen, was sich während der Terrorphase der Frz. Revolution, deren Beginn mit dem Revolutionskrieg zusammenfiel, abspielte. Schwerpunkt der Ausführungen war der Vendeekrieg, der damit begonnen habe, dass in dieser Region 300 000 Männer für die Revolutionskriege ausgehoben werden sollten. Die sehr religiöse Bevölkerung drängte nach Darstellung des Referenten daraufhin den Adel, sich an die Spitze des Widerstandes zu stellen. Dieser Aufstand habe nur durch Einsatz republikanischer Elitetruppen niedergeschlagen werden können, an die sich Massaker anschlossen, die nach den Quellen 100 000 Menschenleben kosteten. Bischof Gregoire habe als Reaktion darauf den Begriff "Vandalismus" geprägt. Besonders einfallsreich seien die Menschenschlächter nicht nur in der Erfindung unvorstellbarer Gräueltaten gewesen, sondern auch in der Erfindung von Euphemismen dafür, wie etwa "aus der großen Tasse trinken", "Überfahrt nach unten", "republikanische Taufe", "republikanische Hochzeit" oder "Backen republikanischen Brotes" . Bei der Einschätzung dieser ungeheueren Gräuel fühle man sich, so Dr. Gebhard, geradezu an die beispiellosen Verbrechen der Nazis erinnert. Typisch sei auch die religiöse Verfolgung gewesen, Priester wurden deportiert oder ermordet, aber auch die Protestanten und Juden seien von der Verfolgung betroffen gewesen. Dennoch habe die pro-kirchliche Haltung der Bevölkerung nicht gebrochen werden können - bis heute seien die Gottesdienste von 60 bis 90 Prozent der Bevölkerung besucht. Und das, obwohl man damals sogar die christliche Zeitrechnung abgeschafft habe. Ausdrücklich hob der Pfarrer die mutige Rolle der Frauenrechtlerin Olympe de Gouche in dieser Zeit hervor. Abschließend forderte der ehemalige Ockstädter Pfarrer, dass sich Frankreich endlich dazu durchringe, zu diesen Massakern als Schandfleck seiner Geschichte Stellung zu nehmen. Viele Fragen der sichtlich betroffenen Schüler zeigten, dass sie hellwach den Ausführungen Dr. Gebhards gefolgt waren und ihnen klar wurde, warum Lenin, Stalin, Mao und Pol Pot sich für ihre Diktaturen auf den Terror beriefen. Die früher idealisierte Darstellung der Französischen Revolution, so die Meinung aller, müsse auch im Geschichtsunterricht einer realistischeren Betrachtung weichen.