Walter Diehl informierte an der St.-Lioba-Schule
Knapp zwei Dutzend Besucher lockte am Mittwoch-Abend ein Vortrag des Referenten im Wiesbadener Kultusministerium
Ministerialrat Walter Diehl an. Er genießt, wie Dr. Stefan Brückmann aus dem Förderteam Hochbegabung an der St.-Lioba-Schule in einer kurzen Begrüßungsansprache erläuterte, als einziger Begabtenförderer in einem Ministerium und Lehrbeauftragter an der Goethe-Universität Frankfurt als Ansprechpartner südlich von Marburg nahezu Alleinstellungsstatus.
Diehl selbst stellte eingangs klar, dass er keine politische Stellungnahme zu dieser Thematik abgeben werde, da zuviel Seichtes, Unpräzises und nicht Beweisbares auf dem Feld der Hochbegabungsforschung existiere. In engster Zusammenarbeit mit dem Marburger Professor Dr. Detlef Rost stütze er sich ausschließlich auf empirische, wissenschaftlich fundierte Ergebnisse und gebe in seinem Portal regelmäßig Anregungen zu innerschulischer Forschung, Fortbildung und Tagungen weiter. Gleichzeitig räumte er auch mit dem alten Vorurteil auf, dass das deutsche Schulsystem alle Betroffenen zu Gescheiterten und Versagern mache. Davon könne keine Rede sein. Die "Rost-Studie" habe mittlerweile aus 7023 untersuchten SchülerInnen in vier Gruppen 151 mit einem IQ von deutlich über 130 ermittelt und mit weiteren Gruppen aus individuell und sozioökonomisch vergleichbarem Umfeld verglichen. Im Normalfall könne mit der Gaußschen Normalverteilung errechnet werden, dass aus jeder Altersgruppe gerade einmal 2,28 Prozent hochbegabt seien, das bedeute, jeder Vierundvierzigste .80 % der Hochbegabten seien total unauffällig. Nicht jeder Hochbegabte bringe auch Hochleistung. Nicht mehr als 10 % der Schüler mit einem IQ von 130 plus seien Einserschüler .Zum Glück eher selten seien junge Menschen, die eine "Leidenskarriere" erlebten von der Psychiatrie bis zum Suizid. Im Gegenteil würden Hochbegabte mit Risiken und Problemen besser fertig.
Wie beim Marburger Vorbild, wo seit 1999 das BRAIN-Zentrum an der Kinder- und Jugendpsychologie als Anlaufstelle existiere, seien es immer wieder die gleichen Dinge, die Eltern wissen wollten. Natürlich wolle man wissen, wie und wer Hochbegabte erkennen könne .Man sei jetzt so weit, dass in jedem Schulamtsbereich mindestens ein kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stehe. Ausdrücklich warnte Diehl vor Geschäftemachern, Beutelschneidern und Scharlatanen, da es keine geschützte Berufsbezeichnung für diese Wissenschaftler gebe. Wichtig sei also auch den fragenden Eltern der Aspekt der Fortbildung .Von großer Bedeutung sei auch die Nähe zur Heimat. Man sei, so Diehl, in Hessen von der Idee der Ausbildung in Internaten abgekommen. Vermieden werde jetzt auch der Elite-Begriff. Diehl unterstrich die Bedeutung der inneren Differenzierung durch die Lehrer und riet nachdrücklich an, Kinder unter 6 Jahren in Ruhe zu lassen.Lernprogramme am PC oder Fremdsprachenlernen sei in diesem Alter "Blödsinn". Bei den Eltern sei derzeit ein "Run nach dem Label hochbegabt" festzustellen. Aber auch Hochbegabte hätten das Recht, in Ruhe gelassen zu werden .Heute existiere eine Fülle von Angeboten, die Eltern und Lehrer entlasten könnten. Das bedeute für die Eltern auch immense Möglichkeiten, ihre Kinder zu fördern. Das gelte aber nicht nur für die Hochbegabten, denn jede Begabung habe Förderung verdient.
Diehl, der auf das Thema im Gespräch mit dem damaligen hessischen Kultusminister Holzapfel entdeckte, merkte an: "Wir haben in Hessen das versucht, was die Eltern fordern und die Wissenschaftler ermittelt haben." Abschließend stellte er kritisch fest, dass auch heute noch das Thema Hochbegabung ideologisiert sei. Den Fragen der Besucher stand er gern zur Verfügung.