Mit dem Gedicht "Schöne Aussicht" großes Talent bewiesen - Einladung nach Köthen
Es gehört sicher nicht zu den Alltagsbeschäftigungen fünfzehnjähriger Mädchen, Gedichte zu schreiben. Mancher Deutschlehrer wäre vermutlich schon froh, wenn sie Gedichte wenigstens mit Interesse lesen würden. Die Bad Nauheimerin Clara Nell, die derzeit die Klasse 10 d der St.-Lioba-Schule besucht, ist da anders. Sie hatte beim Surfen im Internet bei einer Seite verweilt, die andere Jugendliche wohl nicht einmal zur Kenntnis genommen hätten. Bei Clara war das auch anders. Sie fühlte sich von der Überschrift "Neue Fruchtbringende Gesellschaft" und dem Motto "Alles zu Nutzen - allen zu Nutzen", was durchaus bewusst an die sprachpflegerischen Traditionen des 17. Jhds. erinnerte, in keiner Weise abgeschreckt. Ganz im Gegenteil: Claras Interesse war geweckt. Bot doch die "Neue Fruchtbringende Gesellschaft zu Köthen/Anhalt e.V." gemeinsam mit der "Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache Düsseldorf" einen Schreibwettbewerb an. Der sollte unter dem Thema "Schöne Aussicht" stehen und richtete sich ausdrücklich für vier verschiedene Altersgruppen an Schülerinnen und Schüler der Klassenstufen 3 und 4, 5 und 6, 7 bis 9 und 10 bis 13.
Ungewöhnlich nicht nur, dass Clara ohne Aufforderung oder Anregung durch einen Lehrer ganz im Alleingang Interesse an diesem Angebot fand, das laut Ausschreibung "der Phantasie keine Grenzen setzte", sieht man einmal von dem auf zwei Seiten beschränkten Höchstumfang ab. Clara entschloss sich spontan zur Teilnahme und strafte mit ihrer Arbeitsmethode alle mit der Interpretation von Texten befassten Pädagogen Lügen, die aber von ihrem Fach gezwungen sind, allen Autoren den bewussten Einsatz von Stilmitteln mit Blick auf die beabsichtigte Wirkung beim Leser zu unterstellen. Clara begann nämlich einfach zu schreiben. "Ich habe gar nicht lange überlegt, sondern einfach zu schreiben begonnen", bemerkt Clara im Gespräch mit Schulleiter Dr. Angert. Sie ist ganz und gar keine Freundin weitschweifender Erzählungen, sondern eine Persönlichkeit, die die Worte präzise wählt
Claras Art zu schreiben beeindruckte die Jury dermaßen, dass ihr die Mitglieder des Preisgerichts, Sabine Brzezek als Vorsitzernde der Jury, Prof. Dr. Uta Seewald-Heeg als Vorsitzende der Neuen Fruchtbringenden Gesellschaft und Prof. Dr. Hans-Manfred Niedetzky für die Theo-Münch-Stiftung den 1. Preis in ihrer Altersgruppe zusprachen. Claras Gedicht verrät großes Talent und beschäftigt sich mit denen, die das graue Leben eines Spießers führen, und denen, die anders sind. Kinder, die" Gelb, Rot, Lila, Türkis" tragen - die "Fröhliche neue Welt der Farben". Wer die Freude hat,die junge Dichterin zu kennen, ahnt, dass ihr Text einige autobiographische Elemente enthalten könnte. Ein Besuch in Köthen zur Übergabe der Urkunde und des Preisgeldes in Höhe von 150 Euro sowie ein Programm für die Begleitpersonen der Preisträger war der Lohn ihrer Mühe. Selbstverständlich würdigte auch Schulleiter Dr. Tobias Angert den Erfolg des Mädchens, das zum Zeitpunkt der Niederschrift des Siegergedichtes noch im 9. Schuljahr war, mit einem Buchgutschein. Anders zu sein zahlt sich eben manchmal aus. Und für Clara Nell eröffnen sich schöne Aussichten im Literaturbereich.