Lesung aus neuem Werk „Der Fänger“ und launige Gespräche über das Schreiben
„Meine Arbeit bringt es mit sich, dass ich mich mit menschlichen Abgründen beschäftige, den Menschen, die sich als Polizisten mit Opfern und Tätern befassen, aber auch mit der Gesellschaft, in der Dinge möglich werden, die sich andere nicht einmal vorstellen können", so umreißt der erfolgreiche Autor Daniel Holbe wichtige Aspekte seines literarischen Schaffens. Er schaffte etwas, von dem die meisten Schüler nur träumen können. Er kehrte als Person des öffentlichen Lebens an seine „alte“ Schule zurück, in diesem Fall an die Sankt Lioba Schule. Hier drückte er in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Schulbank, hierhin kehrte er am Mittwochabend zurück. Geladen als Stargast des „Sankt Lioba Dialogs“ und damit in einer Reihe mit illustren Gästen wie dem ehemaligen Fraportchef Bender, der Börsenkennerin Anja Kohl oder dem Leiter des Frankfurter Zoos Dr. Niekisch und dem Ex-Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Thüringen, Dr. Bernhard Vogel.
Begrüßt wurde der 1976 in Friedberg geborene und noch heute in der Wetterau lebende Schriftsteller im Namen der veranstaltenden Stiftung und in seiner Eigenschaft als Schulleiter von Bernhard Marohn, der freundliche Worte für den längst dem Schüleralter entwachsenen Holbe, der jetzt selbst stolzer Familienvater ist, fand. Nicht nur das, er erwies sich auch als gewandter Plauderer und zeigte sich auf seinen Gast gut vorbereitet. Holbe machte ihm die Rolle als Moderator aber auch nicht schwer, denn er ist offenkundig kein Freund einsilbiger Antworten und lakonischer Kürze .So gewährte er ausgiebige Einblicke in die Arbeit eines Verfassers von Kriminalromanen, die teils ganz eigenständig verfasst sind, teils aber auch in Weiterführung des verstorbenen Autors Andreas Franz, der einen umfassenden Nachlass an für ihn nicht mehr umsetzbaren Projekten hinterließ. Für eine kurze, aber eindrucksvolle musikalische Einführung hatte Musikpädagoge Thomas Bailly am Keyboard mit weithin bekannten Melodien aus erfolgreichen Krimiserien im Fernsehen gesorgt.
Natürlich kommt ein Autor als Stargast einer Veranstaltung nicht um eine Lesung aus seinen Werken herum. Dazu hatte Holbe aus seinem neuen Werk „Der Fänger“, das unter dem groß gedruckten Namen Andreas Franz und dem kleiner gesetzten Daniel Holbe in diesem Sommer erschien, einige wenige Stellen ausgewählt. Von den bereits erwähnten Abgründen menschlichen Verhaltens, die oft auch Produkte der Gesellschaft sind, in der sie geschehen, spielen im „Fänger“ etwa Zwangsprostitution und Menschenhandel eine Rolle. Zwei Verbrechen, mit denen die Täter nicht nur die Menschenwürde brutal mit Füßen treten, sondern auch immens viel Geld verdienen können. Wie Franz, dessen Romane um Julia Durant und ihren Kollegen Frank Hellmer schwerpunktmäßig im Frankfurter Raum spielen, führt der Ex-Lioba-Schüler auch dieses weiter. So hatte er zu Beginn seiner Lesung eine Untersuchung eines verdächtigen Lkw mit nichts Gutes ahnen lassendem Umbau auf dem Autobahn-Rastplatz „Taunusblick“ ausgewählt. Andere Stellen widmeten sich dem Wesen der beiden Protagonisten und gaben Einblick in die kriminalistische Arbeit. Ganz wie Andreas Franz umgeht Holbe besagte menschliche Abgründe nicht, sondern legt „seinen Finger in diese Wunde“.
Zwei weitere Gäste bereicher¬ten den Dialog. Zum einen konnte Holbe seinen damals wohl eher ungewöhnlich agierenden Deutschlehrer Dr. Hans-Wolfgang Steffek begrüßen und alte Erinnerungen an die Zeit des gemeinsamen Unterrichts auffrischen, zum anderen wurde der Autor, dessen Werke nicht nur einmal den ersten Platz der Spiegel-Bestenliste belegten, von der Schülerin Antonia Faust aus dem nächsten Abiturjahrgang nach den Voraussetzungen und Perspektiven einer schriftstellerischen Tätigkeit befragt. Immerhin hat die Schülerin mit ihrem Erfolg beim OVAG-Wettbewerb die ersten Schritte bereits gemacht.
Holbe, der vor Beginn des Dialogs eine exklusive Schulführung erhielt, machte diese Rückkehr an den alten „Tatort“ sichtlich Freude. Allen anderen auch.
Text: Dr. Hans-Wolfgang Steffek | Foto: Dr. Hans-Wolfgang Steffek