Lioba-Schüler im Gespräch mit KZ- und Ghetto-Überlebenden aus Polen
Vom 19. bis 23. September waren mehrere KZ-Überlebende aus Polen in der Wetterau. Sie wohnten im Haus St. Gottfried in Ilbenstadt und empfingen dort unter anderem Schülerinnen und Schüler aus den Schulen im Umkreis. Gleich am 19. September war die Einführungsphase der Sankt Lioba Schule zu Gast bei den meist 80- oder 90jährigen Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos. Mit ihren Berichten aus jener Zeit wollen die Zeitzeugen die Erinnerung wach halten und Jugendliche für eine friedliche Zukunft motivieren. Organisiert wurde der Besuch von verschiedenen Einrichtungen des Bistums Mainz in Kooperation mit dem Maximilian-Kolbe-Werk in Freiburg.
In Kleingruppen hörten sich die Jugendlichen die Erzählungen der fünf Frauen und eines Mannes an, wie diese in jungen Jahren verhaftet, verschleppt und von ihren Familien getrennt wurden, und unter welchen Umständen sie die Zeit der NS-Diktatur überlebten. Die Frauen erzählten aber auch von der Zeit nach ihrer Befreiung, wie sie später wieder in ihr Leben zurückfanden, Familien gründeten und warum sie sich heute für die Begegnung einsetzen.
Eine Zeitzeugin ist Dominika Adamczewska. Sie wurde 1936 in Jozefów Zamojszczyzna in der Region Zamość geboren. Bei der „Pazifizierung“ ihrer Heimat, was bedeutete, dass die Bevölkerung vernichtet werden sollte, um Platz für die deutsche Bevölkerung zu schaffen, wurde sie mit ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder verhaftet. Ihr Vater wirkte zu dieser Zeit als Partisan in den Wäldern. Nach mehreren Stationen der Vertreibung landete sie schließlich mit ihrer Familie im KZ Majdanek. Da sie und ihr Bruder an Typhus litten, wurden beide von Schwester und Mutter getrennt und direkt auf die Liste für die Gaskammer gesetzt, wo sie aber nie landeten. „Vielleicht wurden wir einfach vergessen“, schildert Frau Adamczewska. Als am 23. Juli 1943 Majdanek von der Roten Armee befreit wird, verlässt die Familie wieder vereint das Konzentrationslager. Alle haben überlebt, auch der Vater. Der Kontakt zu Deutschland und zum Zeitzeugenprojekt entstand durch ihre Arbeit als Krankenschwester für das Maximilian-Kolbe-Werk.
Bei der Bewertung der Zeitzeugenbegegnung der Schülerinnen und Schüler bei der Reflexion im Religionsunterricht ist eine große Bandbreite vertreten. Ein nüchternes „informativ“, aber auch Begriffe wie „spannend“, „beeindruckend“ und „rührend“ werden auf die Reflexions-Plakate geschrieben. Einige geben zu, dass sie einen langweiligen Geschichtsvortrag erwartet haben, letztlich jedoch einen Austausch mit interessanten Persönlichkeiten erleben durften. Die Stärke, mit der die Zeitzeugen nach all der Zeit über ihre Erlebnisse berichtet haben, ist besonders in Erinnerung geblieben. Die Zeitzeugenbegegnung insgesamt wird von den Schülerinnen und Schülern als einmaliges, nicht alltägliches Erlebnis wahrgenommen, bei dem sie die Möglichkeit erhielten, einen Einblick in eine Zeit zu erhalten, die sie selbst nicht erlebt haben.