Lioba-Gruppe besuchte Konzert von Jordi Savall
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen ein Konzert in der Alten Oper in Frankfurt und man spielt auf mit Kanun, Ney, Duduk und Oud oder mit Santur und Moresca? So jedenfalls erging es einer Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Sankt Lioba Schule in Bad Nauheim, die zusammen mit drei Lehrern ihrer Schule am Samstag, dem 21. Januar Jordi Savalls „Dialog der Seelen“ im Mozartsaal lauschten. Eigenartige schwebende Klangteppiche, rhythmische Forcierungen, wehmütige klagende Laute oder einfach das heiteres Treiben der Musik alter Tänze hatte der spanische Ausnahmemusiker, selbst ein Meister der Gambe, Fidel und Lyra, sinfonisch aneinandergefügt und zu Einheiten verwoben. Dabei wuchsen Stücke aus syrischer und zypriotischer, jüdisch-sephardischer und türkischer, armenischer und griechischer Tradition wie selbstverständlich zusammen. Es war der experimentelle Versuch, spirituelle Musik aus dem Mittelmeerraum muslimischen, jüdischen und christlichen Ursprungs zusammenzuführen und in Harmonie zu präsentieren.
Und genau das war auch die Motivation der Bad Nauheimer Schülergruppe das Konzert zu besuchen. Die Sankt Lioba Schule nahm vor einigen Jahren an einem Wettbewerb der Quandt-Stiftung „Trialog der Kulturen“ teil und gewann damals den ersten Preis für ihr herausragendes Engagement. Neben vielen Unterrichtsprojekten imponierten seinerzeit vor allem zwei Großprojekte: Das ambitionierte Konzert der Kulturen in der Dankeskirche und das selbst geschriebene Theaterstück „Herz des Feindes“ auf eigener Bühne. Immer ging es darum, Gegensätze zwischen den drei großen religiösen Kulturbereichen zu erkennen und zu benennen, aber auch ihren gemeinsamen inneren Zusammenhang aufzuzeigen und vor allem friedensstiftend zu präsentieren. „Herz des Feindes“ handelte von einem palästinensischen Araber, dessen Sohn beim Spielen von israelischen Soldaten erschossen worden war und dessen Organe er zur Transplantation an Juden, Christen und Muslime freigab. Nun schlägt das muslimische Herz in der Brust einer jüdischen Frau. Ist das nicht der Musik vergleichbar, in der ein uns allen gemeinsamer Blutstrom zur Einigung und Annäherung aufruft? Jordi Savall jedenfalls krönte sein einfallsreiches und originelles Konzert mit einer Zugabe einer Tanzweise, die, so wie er vortrug, im ganzen Mittelmeerraum in den unterschiedlichsten Sprachen und mit den verschiedensten Texten belegt, gespielt wird, eine großartige Vorstellung von einer friedlichen Welt, geeint in den einfachen Künsten – eine Vision in einer Zeit neu aufbrechender Nationalismen, die das Trennende für das Wesentliche halten, sich islamfeindlich und antisemitisch gebärden.
Überhöht wurde der teils befremdliche, teils vertraut anmutende Zusammenklang der oben genannten Instrumente von zwei Stimmen: Katarina Papdopoulou, eine populäre griechische Künstlerin, den christlichen Kontext vertretend und Gürsoy Dincer, ein türkischer und muslimischer Sänger. Dialog zweier Seelen; Trialog der Kulturen. Erst in der letzten Zugabe sangen beide Stimmen für kurze Zeit ein Duett. „Davon hätte ich mir mehr gewünscht“, sagte die Lioba-Schülerin Cecilia Claßen auf dem Weg nach Hause, den alle ein wenig entrückt antraten, zu weit weg von unseren Hörgewohnheiten war das Erlebte. Für die Lioba-Schule selbst war damit aber wieder an eine eigene Tradition angeknüpft worden, den interreligiösen Trialog weiterhin in Projekten zu unterstützen und zu betreiben.
Text und Bilder: Dr. Georg Jung