Beeindruckender Besuch Bernhard Vogels an der Sankt Lioba Schule
„Die beste Antwort auf die brennenden Fragen unserer Zeit und der beste Dank an unser Grundgesetz ist es, wenn jeder sich engagiert und aktiv wird statt wegzuschauen. Wir haben allen Grund, dem Grundgesetz, das auf den Tag genau vor 70 Jahren am 9. Mai 1949 beschlossen wurde, für Frieden und Freiheit zu danken. Daran hat auch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union einen wichtigen Anteil.“ Klare Aussagen des Politikers Bernhard Vogel, der in unserer politischen Landschaft ein Alleinstellungsmerkmal besitzt, war er doch in Rheinland-Pfalz und Thüringen gleich in zwei Bundesländern Ministerpräsident. Dank des Einsatzes von Hans Peter Wavra, Lehrer für Geschichte und Latein an der Sankt Lioba Schule, war Vogel nicht zum ersten Mal an der Privatschule in Trägerschaft des Bistums Mainz. Vogel, Wavra und Winfried Auel, als Oberstufenleiter Repräsentant der Schulleitung, konnten sich über zahlreiche Besucher in der Schulaula freuen, denn der Vortrag war öffentlich und bot auch Gelegenheit zum Gespräch.
Beide Lehrer wiesen auf die Bedeutung dieses Jahres hin, das gleich mehrere Gedenktage biete, wie etwa die Erinnerung an die Weimarer Verfassung 1919, den Kriegsbeginn 1939 und den Mauerfall 1989.
Vogel griff in seinen Aussagen den Hinweis der Vorredner auf die heute existierenden Probleme, die ganz andere seien als die zur Zeit des Grundgesetzes, gerne auf. Er konnte aus eigener Erinnerung eine Menge zu deren vertiefender Betrachtung beitragen, hatte er doch lange Jahre die bundesdeutsche Politik aktiv mitgestalten können. Besonders hob er die Bedeutung von Artikel 1 des Grundgesetzes und dessen Präambel hervor. Hier werde der Aspekt der Würde aller Menschen betont, nicht etwa nur der der Europäer oder Deutschen. Damit schiebe das Grundgesetz, das ursprünglich als Provisorium angesichts der sich schnell vollziehenden deutschen Teilung gedacht war, allen Formen der Diskriminierung einen Riegel vor. Ausdrücklich hob er die Demokratiebewegung in der ehemaligen DDR hervor, die letztlich unter Mitwirkung von Politikern wie Gorbatschow, US-Präsident George W. Bush sen. und Helmut Kohl die kaum noch geglaubte Wiedervereinigung möglich machte. Die Staatsmänner nutzten die Gunst der Stunde, um „die nur für einen kurzen Moment geöffnete Tür“ für alle Deutschen aufzumachen.
Dabei erinnerte der Politiker im Ruhestand daran, dass längst nicht alle maßgeblichen Politikerinnen und Politiker in Europa und der Welt diese Wiedervereinigung mit Freude sahen .Im Rückblick sei auch klar erkennbar, dass die Mitglieder des Parlamentarischen Rats mit der Fünfprozentklausel, dem konstruktiven Misstrauensvotum und der Rolle des Staatsoberhauptes als höchstem Repräsentanten der Deutschen ihre Lehren aus den Schwachstellen der im Übrigen durchaus vorbildlich demokratischen Weimarer Verfassung gezogen hätten. Als weitere wichtige Merkmale des Grundgesetzes bezeichnete Vogel die föderalistische Struktur unseres Staates und das eindeutige Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie.
Von den wichtigsten Problemen der Gegenwart erwähnte der Referent u.a. die Probleme des Klimawandels, der Flüchtlingsbewegungen, des Umgangs mit „dem großen Bruder“ USA und die Differenzen innerhalb der europäischen Völkergemeinschaft sowie den Populismus. In allen Fällen seien Gelassenheit und der Wille, sich selbst zu engagieren, gefragt: „Wir drohen zu vergessen, woran Weimar gescheitert ist.“
Die lange Zeit unter Diktaturen leidenden Staaten des ehemaligen Ostblocks sollten ebenso wie die kleineren Staaten in der EU mit ihren Sorgen ernstgenommen werden. Eine klare Absage erteilte Vogel der Absenkung des Wahlalters auf 14 oder 16 Jahre: „Junge Menschen beschäftigen in diesem Alter ganz andere Dinge.“ Die Tragweite politischer Entscheidungen sei für sie noch nicht absehbar. Es beim jetzigen Wahlalter zu belassen, diene ihrem Schutz.
Viel Beifall für Vogel, Wavra und Auel und nicht zuletzt für Julia Meyerding und die Geschwister Ana und Paul Braica, die mit brillanten Klaviervorträgen den passenden festlichen Rahmen schufen.
Text und Foto: Dr. Hans-Wolfgang Steffek