Auswirkungen eines Vulkanausbruchs auf den Niedergang des Römischen Reiches
Ein Vortrag des Frankfurter Althistorikers, Archäologen und Museumspädagogen Mario Becker
Gewiss, Ursachen für historische Entwicklungen sind nie monokausal erklärbar, wie entscheidend aber ein bestimmtes Phänomen für eine Entwicklung ist, darüber streiten sich dann die Geschichtswissenschaftler. Unstrittig haben neben vielen anderen Faktoren die ab der Mitte des 3.Jahrhunderts nach Christus stattgefunden habenden Völkerwanderungen in Westasien und Europa eine nicht geringe Bedeutung für den Niedergang dieser wahrhaft gigantischen Hegemonialmacht der Antike gehabt, die mehr als ein halbes Jahrtausend unangefochten von der Sahara bis nach Germanien und von Nordengland bis an den Euphrat herrschte; eine geographische Größe und zeitliche Dauer eines Staatsgebildes, die nur von Reichen des ostasiatischen Kulturkreises jemals übertroffen wurde.
In seinem an der St.-Lioba-Schule gehaltenen und für eine breite Öffentlichkeit zugänglichen Vortrag mit dem Titel „ Der Untergang des Römischen Reiches oder das Jahr, als die Sonne verschwand“ stellte der Frankfurter Althistoriker, Archäologe und Museumspädagoge, Herr Magister Mario Becker, eine Naturkatastrophe, die am Anfang des Niedergangs des Imperium Romanum gestanden habe, in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.
Den Beginn der Völkerwanderungen setzt man für gewöhnlich um das Jahr 260 an, als die Alamannen zum ersten Mal in größeren Scharen den Limes überschritten und ins Römische Reich einfielen. Mario Becker sieht aber bereits im großen Markomanneneinfall unter der Herrschaft des römischen Kaiser Marc Aurel um 165 n.Chr. die Initialzündung für die später einsetzenden großen Völkerwanderungen.
Was aber trieb die Markomannen dazu, die für lange Zeit stabile Grenze zu überschreiten? Wurden sie selbst von anderen Völkern und Stämmen wie z.B. den Hunnen oder Goten zur Wanderung nach Westen und Süden getrieben? Diese Fragen standen im Zentrum der Überlegungen des Frankfurter Wissenschaftlers. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass eine Klimakatastrophe am anderen Ende der Welt den Einfall der Markomannen ins Römische Reich verursacht habe. Der gewaltige Ausbruch des Taupo, eines Vulkans auf Neuseeland, habe in jener Zeit in Europa zu jahrzehntelangen klimatischen Veränderungen geführt, deren Folgen durch Eintrübung der Atmosphäre und Filterung des Sonnenlichtes ein Temperaturrückgang, Missernten und Hungersnöte gewesen seien, die zur Migration von Stämmen wie den Markomannen und Quaden geführt hätten.
Eine Naturkatastrophe weit weg führte also zum Beginn von Völkerwanderungen in Europa? Eine abenteuerliche Theorie?
Nach Aufzeichnungen von Zeitgenossen sorgte der Ausbruch des indonesischen Vulkans Tamboro 1815 mit einer Sprengkraft von 150000 Hiroshimabomben für Jahrzehnte in Mitteleuropa für einen Temperaturrückgang und schlechtes Wetter, sodass z.B. in der Schweiz die Schneegrenze auf etwa 400 Meter fiel! Es ließen sich hier noch eine Reihe von Beispielen mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur durch Naturkatastrophen anführen, es sei nur der große Ausbruch des Krakataus 1883 genannt, der in Europa für Schneefälle im Sommer sorgte. Nach wie vor wird auch von Wissenschaftlern der Ausbruch des Megavulkans Santorin als eine Ursache für den Untergang der Minoischen Kultur genannt.
Der spannende und mit zahlreichen Karten und Bildern aufgelockerte, die Hörer begeisternde Vortrag setzte dann auch eine lebhafte Diskussion in Gang, in der neben den Ursachen für den Untergang des Römischen Reiches immer wieder auch Aspekte herausgestrichen wurden, wie sehr die römische Kultur, zumal in der Wetterau, bis heute weiterlebt und nach wie vor aktuell ist – nicht nur im Latein – und Geschichtsunterricht!
Hans Peter Wavra